Incompetence not in danger

Eine Spekulation, woher „Zensursula von den Laien“ falsche Zahlen bekommen hat

Ein Gastkommentar einer anonymen Leserin auf ODEM.blog, nennen wir sie Bettina Beispiel. Der Text kann beliebig weitergegeben werden.

Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass der kenntnisreiche Umgang mit Zahlen, Daten und Fakten nicht die Sache von Familienministerin Ursula von der Leyen ist. Ein starker Auftritt, die dramaturgisch inszenierte Geste im Beisein einer Kamera und starke Emotionen – das liebt sie, das beherrscht sie. Was schadet es in der Politik schon, wenn fachlich nur ein laues Lüftchen weht. Sachkenntnis wird ja vielfach überschätzt – was zählt ist die Schlagzeile! Eine kleine Ausflucht in Verbindung mit weiteren politischen Forderung und schon ist man wieder im Rennen – mit einer neuen Schlagzeile.

Es verwundert also nicht, dass Frau von der Leyen mit falsch interpretierten und nicht belegbaren Zahlen ihre Kampagne für Täterschutz im Internet vorantreibt. Woher aber hat Zensursula die fehlinterpretierten Zahlen, die kruden Behauptungen und vor allem auch die Vorstellung, es gäbe einen „kommerziellen Massenmarkt“ für Kinderpornografie mit „Millionen-Umsätzen“ auf öffentlich zugänglichen Webservern. Man fragt sich ja doch, woher die Idee stammt, es ließe sich mit frei zugänglichen Webseiten, auf denen sich zu 80% Zufallskontakte (so Jürgen Maurer, BKA) oder allenfalls Gelegenheitsnutzer einfinden, zugleich ein Multi-Millionen Geschäft aufbauen. Zuerst deutete die Welt an, heimlicher spiritus rector der Kampagne sei die Geschäftsführerin des Vereins Innocence in Danger, Julia von Weiler. Im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk wird eben diese Geschäftsführerin von Innocence in Danger als „Expertin“ in Sachen Kinderpornographie im Internet befragt. Den Zusammenhang zwischen Julia von Weiler, Zensursula und den anderen von und zu (insbesondere Guttenberg) beleuchtet dann Stefan Niggemeier in seinem Blog. Dieser Spekulation soll im Folgenden etwas detallierter nachgegangen werden:

Auffällig ist zunächst, dass auf der Seite von Innocence in Danger exakt jene falsche Behauptung bezüglich der Steigerung der Kriminalitätsrate wiedergegeben wird, die auch der Argumentation von Frau von der Leyen zu Grunde liegt: „Laut BKA war bei der Besitzverschaffung von Kinderpornographie durch das Internet von 2006 auf 2007 ein Zuwachs von 111% festzustellen.“ Zufall? Einen weiteren Hinweis liefert dann auch das animierte Gif an prominenter Stelle der Webseite. Hier wird – ohne Angabe einer Fundstelle – behauptet, es würden 23 Milliarden USD mit „Kinderhandel und Prostitution“ jährlich umgesetzt. Wir kommen dem kommerziellen Massenmarkt wenigstens der Zahl nach schon nahe – wenn auch noch immer jeglicher Beleg fehlt. Vergleicht man die Seite der deutschen Sektion von Innocence in danger mit der des Dachverbandes fällt aber auf, dass sich dort die gleiche Umsatzzahl nur bezieht auf „children commerce“, also Kinderhandel. Die Beliebigkeit der Verwendung ein und derselben Umsatzzahl für unterschiedliche Sachverhalte verwundert. Bereits in der deutschen Wikipedia wird zu dem Begriff „Kinderpornographie“ erläutert, dass Umsatzzahlen für Kinderhandel und Kinderprostitution nicht identisch sind und insoweit Vorsicht geboten ist.

Noch mehr verwundert dann aber eine Zahl, die aus dem selbst zusammengebastelten Teil der Webseite stammt (also jenem Teil, der nicht vom internationalen Dachverband übernommen wurde). Dort kann man folgendes lesen:

„Durch pornographische Ausbeutung von Kindern werden jährlich ca. 24 Milliarden US $ umgesetzt (Stéphanie Moutiez, Executive Master of Economic Crime Investigation, Vortrag bei Pedocrimes: Care, Prevention and Justice, Februar 2008).“

Leider endet diese Quellenangabe im Leeren. Soweit ersichtlich ist dieser Vortrag nie veröffentlicht worden. Trotzdem und deswegen: der Fachmann staunt – der Laie wundert sich. Mit pornographischer Ausbeutung von Kindern wird mehr Umsatz erzielt als mit Kinderhandel und Kinderprostitution zusammen? Das ist alles so verwunderlich, das bereits daraus der Vermutung zulässig sein muß, Frau von der Leyen habe ihre Argumentation von diesen unschuldigen Kinderschützern des Vereins Innocence in danger übernommen.

Von eigenen Erkenntnissen des Vereins Innocence in danger über einen kommerziellen Massenmarktes für Kinderpornografie im Internet ist sonst wenig bekannt geworden. Immerhin hat man konkret von einer Website Kenntnis vom Hörensagen erlangt, die innerhalb von 4 Monaten 1,93 Millionen USD umgesetzt habe:

„Tagung: Internet, Handy und Co. Im Rahmen unserer Studie initiierten wir im März (…) eine Tagung zum Thema „Internet, Handy und Co. Instrumente sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen?! (…) Dieses ‚Gipfeltreffen‘ der Experten mit rund 70 internationalen kompetenten Teilnehmern wurde von der Presse sehr beachtet. Mehr als 50 Tageszeitungen bundesweit haben darüber geschrieben, der WDR berichtete im Fernsehen und in Radiobeiträgen und ein französisches Fernsehteam von Télé 5 hat uns die ganze Zeit beglei tet. Die Tagung war aufschlussreich und vielseitig, mit zahlreichen Workshops und Vorträgen. So berichtete u. a. Sharon Cooper (eine der Expertinnen auf diesem Gebiet in den USA), dass im Jahr 1998 laut einer US Datenbank 100.000 Bilder mit pornographischer Ausbeutung im Internet kursierten. In 2007 sind es bereits 7 Millionen! Eindrucksvoll war auch der Vortrag von Peter Vogt, dem Staatsanwalt aus Halle, der u. a. zu belegen wusste, dass eine russische Website mit pornographischer Ausbeutung von Kindern binnen 4 Monaten 1,93 Millionen Dollar umgesetzt hatte!“

Ein weiterer Hinweis spricht dafür, dass Ursula von der Leyen ihre Behautungen nicht den eigenen Recherchen ihres Hauses oder des Innenministeriums entnommen hat, sondern ihre „Informationen“ aus den Kreisen um Innocence in danger bezieht. Stereotyp wird behauptet, dass es sich bei Kinderpornografie im Internet um einen der am schnellsten wachsenden Märkte handele, mit dem Multi-Milliarden umgesetzt würden. Die kriecherische Wiederholung immer gleicher Behauptungen liefert noch keinen Nachweis. Die englische Wikipedia bringt aber fast wörtlich die entsprechende Fundstelle:

“Child pornography is a multi-billion dollar industry and among the fastest growing criminal segments on the Internet“

Die englische Wikipedia benennt dort ihrerseits einen Beleg, nämlich – wen würde es wundern – eine amerikanische Kinderschutzvereinigung:

„Within only a few years, child pornography has become a multi-billion dollar commercial enterprise, and is among the fastest growing businesses on the Internet.“

Auch dort wird aber nur wieder auf eine andere Quelle verwiesen:

„1 Source: Top Ten Reviews ™ “Internet Filter Review” an online resource that reviews Internet Safety. (Reported that CP generates $3 billion annually)“

Um es nicht weiter spannend zu machen – diese Fundstelle verweist auf einen kommerziellen Händler von Filterschutzsoftware, der, soweit ersichtlich, die Umsatzzahlen ebenso aus der Tiefe des Gemüts geschöpft hat, wie alle anderen Behauptungen im Zusammenhang dieser Debatte es auch sind. Die Seite ist insgesamt eine Glanzleistung was SEO anlangt.

Fazit:

Kinderpornographie im Internet ist ein Problem, keine Frage. Aber für die Behauptung es gebe einen am „schnellsten wachsenden“, boomenden, kommerziellen Massenmarkt für Kinderpornographie im frei zugänglichen Teil des Internet, ist überhaupt nicht belegt und ohnehin völlig unplausibel. Frau von der Leyen bekämpft ein Problem, das es so gar nicht gibt. Im Ausgleich tut sie dafür nichts, um die wirklichen Probleme zu bekämpfen. Das Quellenstudium im Internet belegt nur, dass sich Ursula von der Leyen nicht wirklich fachlich hat beraten lassen, sondern ungeprüft Behauptungen eines Vereins übernommen hat, dessen Medienkompetenz ersichtlich zweifelhaft ist. Innocence in danger und Ursula von der Leyen bilden ein wahres Dreamteam unter dem Motto „Incompetence not in danger“.

P.S. IWF meldet, dass die Anzahl kinderpornografischer Seiten im Internet zurückgeht – und zwar wegen der internationalen Zusammenarbeit der IWF mit Domainregistraren.

via ODEM.blog

Klickbefehl!

Eine gang ganz großartige Parabel zur Internetzensur hat Steff auf UnPolitik geschrieben.

Er setzt ein Gleichnis zwischen den angedachten Zensurmaßnahmen und dem Mehlmarkt. Klingt erstmal komisch, ist aber sehr erhellend und wohl auch für Leute ersichtlich, die sonst mit dem Internet nichts zu tun haben.

Der Markt für Mehl entzieht sich zu großen Teilen einer zentralen Kontrolle. Mehlhersteller produzieren wo und wie sie wollen und die Menschen konsumieren Mehl auch einfach wo und wie sie wollen. Sie backen Brot mit Mehl, sie backen Kuchen, sie kochen Saucen mit klassischer Mehlschwitze. Sie kaufen Biomehl, Weizenmehl, Maismehl, Vollkornmehl und manche Leute mahlen ihr Mehl sogar selber. Es macht einen ganz bestimmten Kontroll-Freak aber vollkommen wahnsinnig, dass er den Mehlmarkt nicht komplett kontrollieren kann. Und glücklicherweise stellt sich plötzlich heraus, dass in einer verschwindend geringen Menge an Mehlpackungen eine minimale Menge Kokain enthalten ist…

hier weiter lesen

Flyeraktion gegen Internetzensur

Um den Irrsinn, der hinter der geplanten Internetzensur steckt, hat einer meiner Mitbewohner aus der OssiWG eine Flyerkampagne entworfen.

Tragt es in die Welt und klebt es auf alle Türen

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Diese Flyer sollten an alle möglichen Türen von Behörden, Ämtern oder einfach an ganz normalen Haustüren angebracht werden um auch den Nicht-Internet-Affinen Menschen zu zeigen, was hinter der Zensur steckt und dass der typische Spruch „Wer sich nichts zu schulden kommen lässt, hat auch nichts zu befürchten“ diesmal eben nicht zieht.

hier kann man das PDF runterladen

via OssiWG

Grüne und FDP doch noch wählbare Alternativen?

FDP und Grüne sind offenbar gegen Netzzensur. So meldet zumindest golem.

Beide Parteien halten die Sperrungen für nutzlos oder gar kontraproduktiv im Kampf gegen Kinderpornografie und sehen sie im Widerspruch zum Grundgesetz. Die FDP in Nordrhein-Westfalen sprach sich auf ihrem Landesparteitag in Bielefeld gegen „eine Zensur des Internets anhand von durch die Exekutive erstellten Listen mit zu sperrenden Adressen“ aus. Die baden-württembergischen Grünen wollen „die völlige Ablehnung von Access-Sperren“ ins Wahlprogramm der Partei für die Bundestagswahl aufnehmen.

Das ist das erste bisschen Hoffnung, dass ich seit Tagen sehe. Mal sehen, was diese beiden Parteien sonst noch anstellen, um sich wieder wählbar zu machen. So wie es just im Moment aussieht, würde ich – wäre heute Wahl – dennoch die Piratenpartei wählen.

via golem

Vielen Dank heise

Ich muss an dieser Stelle mal ein paar lobende Worte über heise verlieren.

Schon zu Zeiten, als Schäuble die Vorratsdatenspeicherung installiert hat, war heise eine der wenigen „offiziellen“ Medien, die offen und differenziert darüber berichtet haben und offen die Pläne der Bundesregierung kritisiert haben. Heise hat damals die Hysterie um die angeblich massive Terrorismusgefahr als Feigenblatt für Überwachungsmaßnahmen ungekannten Umfanges, die die Demokratie gefährden angeprangert.

Ursprünglich war für mich der News Ticker von heise einfach nur eine Informationsquelle zu IT-spezifischen Themen rund um meinen Job. Aber damals wurde daraus mehr. Heise wurde zu einer meiner Hauptinformationsquellen, auch außerhalb der reinen IT. Auch das Abo der c’t habe ich nicht zuletzt deshalb abgeschlossen. Solch ein Verhalten musste belohnt werden.

Auch in der aktuellen Debatte war heise wieder die erste Informationsquelle jenseits diverser Blogs, die offen die Internetzensur als das gebrandmarkt haben, was sie ist. Nämlich eine Gefährdung des offenen Informationsflusses im Internet unter dem Deckmäntelchen der Kinderpornografiebekämpfung. Dass eben diese Kinderpornografie mit anderen Mitteln wesentlich besser angegangen werden könnte, ist hierfür kein Thema. Das wurde an anderer Stelle zur Genüge analysiert.

Zurück zum eigentlichen Ansatz. Heise hat auch über dieses Thema sehr differenziert und eindringlich berichtet. Ich sorge mich ein wenig, dass heise eines der ersten „prominenten“ Opfer der neuen Zensur werden wird.

Lange Rede kurzer Sinn… Ich kann nur jedem Empfehlen, heise.de zu bookmarken und zur Informationsbeschaffung mit heran zu ziehen. Auch wenn man keine direkte Verbindung zur IT hat. Auch das Diskussionsforum zu jedem Artikel ist interessant bis witzig. Wenn es heise jetzt noch irgendwann schaffen würde, den RSS Feed nicht mehr zu verstümmeln (man bekommt nur sie Überschrift eines Artikels per RSS), wären die die Größten.

Danke heise!

CDU/CSU & SPD: …der Internetzensur entgegentreten…

Ja, ehrlich! Die wollten das mal. Vor einem Jahr ungefähr

22.04.2008: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD:
Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit weltweit durchsetzen und der Internetzensur entgegentreten

Wie schnell man doch vergisst…

via Sikks Weblog

The Worst Part of Censorship is…

von artikel20absatz4

via

Oh mein Gott!

Immer wenn man denkt, schlimmer gehts nimmer, kommt eine Gesetzesvorlage daher…

Kurz zusammengefasst bedeutet das:

  1. Neben den tatsächlichen Kinderpornoseiten wird auch der Zugriff auf Seiten, die (wie auch immer) darauf verweisen blockiert. Bleibt die Frage, wie viele Level tief das sein wird. Und wird google dann auch blockiert?
  2. Es wird ein Zwei-Klassen Internet installiert. Auf der einen Seite die großen Provider (die müssen zensieren) und auf der anderen Seite die Kleinst- und staatlichen Provider (das meint wohl Behörden, Ämter, aber auch Bibliotheken etc.)
  3. Die Listen bleiben geheim (hahahahahaha…)
  4. Wer auf das Stoppschild trifft, egal ob zufällig oder gezielt oder in Folge einer Tinyurl oder aus Böswilligkeit von Irgendwem, gerät in den Fokus des BKA.
    Mein Tipp dazu: Nie wieder auf eine URL klicken! NIE wieder…

Meine Fresse! Deutschland ein freies Land? Na ich weiß ja nicht. Wenn man schon Angst haben muss, in die Fänge eines Geheimdienstes zu kommen, OHNE sich auch nur ansatzweise etwas zu Schulden kommen zu lassen, hat das ja wohl mit Freiheit nicht mehr das geringste zu tun.

Was kann man tun?

  • man könnte seinen Abgeordneten anrufen, anschreiben, was auch immer.
  • man kann an einer Demo gegen den Scheiß teilnehmen (gibts da schon was?)
  • man kann vor dem Bundesverfassungsgericht (der letzten Bastion der Freiheit) klagen
  • und ganz wichtig: Bedenkt eure Wahlentscheidung am 27. September richtig gut!
via heise, Basic Thinking Blog

Artikelsammlung zum Thema Internet Zenzur

Ich habe eine Handvoll Artikel, die sich auf sehr lesenswerte Art mit dem Thema Internet Filter respektive Zensur befassen zusammengetragen.

Wer noch ähnliche Artikel kennt, möge das in den Kommentaren kund tun.

BildQuelle: Elias Schwerdtfeger

Die dreizehn Lügen der Zensursula

Der Netzaktivist Lutz Donnerhacke hat die Aussagen von Zensursula von der Leyen auseinander genommen und eine Liste mit den 13 Lügen zur „Notwendigkeit von Zensurmaßnahmen gegen die Dokumentation von Kindesmißhandlungen“ aufgesetzt.

Wirklich beängstigend ist, dass die tatsächlichen Kinderpornoseiten in Deutschland nicht abgeschaltet werden, scheinbar nur um die Zensur begründen und durchsetzen zu können.

via Fefes Blog